Abenteuer Diagnose
Unitymedia und der Wechsel zur eigenen Fritz!Box
Das Urteil des BGH in Sachen I ZR 23/18 (Zulässigkeit der unaufgeforderten Aufschaltung eines separaten Wifi-Hotspots bei WLAN-Kunden) im Streit zwischen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und dem Internetprovider Unitymedia kann einen mit Sorge erfüllen. Denn wer weiß, wer sich dann auf dem heimischen Router noch so tummelt und wer garantiert, dass der öffentliche Hotspot wirklich und vor allem auf Dauer vom heimischen Netz getrennt ist und bleibt. Vielleicht fangen gerade deswegen Cyberkriminelle an, sich diese Konfiguration näher anzusehen, um vielleicht ein Schlupfloch zu finden und in private Netzwerke und Datenspeicher einzudringen?
Das waren die Bewegründe, weswegen mein Vater sich entschied, den von Unitymedia ge-mieteten Router zurückzugeben und stattdessen einen eigenen Router einzusetzen. Verfügbar war die Fritz!Box 6590 schnell, Amazon lieferte innerhalb eines Tages. Und als Familien-Admin übernahm ich dann das weitere Prozedere.
Samstag, 27.04.2019
Ich rief also die Hotline von Unitymedia an, um den Umstellungsprozess anzustoßen. Wie erwartet landete ich zunächst bei einer IVR der automatischen Anrufverteilung dieser Hotline, also einer elektronischen Stimme, die zunächst mir einige Angaben abverlangte. Telefonaufzeichnung ja/nein, Kundennummer, Postleitzahl (weil die Kundennummer nicht eindeutig zugeordnet werden kann (?)) und Geburtsdatum des Vertragsinhabers. Und die Frage, worum es eigentlich geht. Hier erfolgt dann stets die Nachfrage „Habe ich Sie richtig verstanden, es geht um eine Störung?“ Das Einstiegsprozedere dauert regelmäßig geschlagene zwei Minuten, bevor man in die Warteschleife mit einer Wartemusik auf nicht erkennbare Zeit abgestellt wird. Wer diese Musik schon länger anhören musste, kennt ihre Nerven aufreibende Wirkung. Andere Servicedienstleister, z.B. einer aus Berlin, spielen den Warteplatz oder die voraussichtliche Wartedauer ein, so dass man sich entscheiden kann, ob sich das Warten lohnt. Leider Fehlanzeige.
Es war Samstagmittag, vielleicht hatte ich auch nur Glück, als sich relativ schnell eine freundliche Stimme meldete. Die Namen von Mitarbeitern von der Unitymedia-Hotline auf Anhieb zu verstehen ist mir bis heute nur ein einziges Mal gelungen, als sich damals ein Herr Schmitt meldete. Allerdings wird der Name nicht nur in Deutschland leicht verstanden. Nachfragen nützt auch nichts und ich habe inzwischen die Vermutung, dass die Mitarbeiter lieber unerkannt bleiben wollen und daher bewusst nuscheln.
Ich beschrieb der Dame um was es geht. Aber zunächst wollte sie erneut die Kundennummer und das Geburtsdatum haben (warum muss man eigentlich beides vorher eingeben?) und zusätzlich auch die postalische Adresse zur Authentifikation. Danach war sie dann aber fix bei der Sache und fragte noch schnell MAC-Id und Seriennummer der privaten Fritz!Box ab und sagte mir dann, dass in einer halben Stunde die neue Fritz!Box aktiviert sei. Ah, dachte ich noch, dass ging ja zügig und problemlos, wer hätte das gedacht. Ich legte auf und rief umgehend meinen Vater an, um mit einer Fernsteuerung noch schnell die Konfiguration seiner bisherigen Fritz!Box zu sichern. Die alte Fritz!Box meldete gerade noch die erfolgreiche Sicherung der Konfiguration als die Telefonverbindung und die Fernwartungssitzung unvermittelt abbrachen. Von wegen 30 Minuten!
Wenige Minuten später wechselte ich bei meinen Eltern die Boxen aus und siehe da, die Aktivierung hatte funktioniert, Internet war wieder verfügbar. Und dann begann das Abenteuer! Ich stellte fest, dass die SIP-Anmeldedaten nicht in der Sicherung der Konfiguration der alten Fritz!Box enthalten sind. SIP ist das Session Initiation Protocol, auf dem VoIP – Kommunikation mit dem SIP-Server oder auch Registrar des Providers basieren. Dazu müssen die Telefonnummern am Server angemeldet werden.
Also rief ich erneut bei Unitymedia an, um an diese Daten heranzukommen. Der Mitarbeiter sagte mir, dass er die Daten aus Sicherheitsgründen nicht herausgeben darf, sondern, dass diese Daten im Kundenportal zur Verfügung gestellt werden. Der Prozess könne aber etwas dauern, bis zu 48 Stunden. Das war ein Schlag ins Gesicht. Ich hatte meine Eltern, beide Mitte 70, also ohne Ankündigung von der Außenwelt abgeschnitten. Zwar besitzen beide ihr eigenes Smartphone, aber das nützt in einem Funkloch, wie in unserem Ort, recht wenig. Was die Telefonie und der Kontakt nach außen für Menschen in dem Alter bedeutet, dürfte den meisten klar sein. Und was ist, wenn ein Notfall eintritt? Gar nicht auszudenken.
Mit hängenden Ohren fuhr ich wieder nach Hause und fing an, regelmäßig das Kundenportal zu prüfen. Aber dort änderten die Daten sich nicht. Hier stand wie eingebrannt der alte Router, von SIP-Zugangsdaten keine Spur, den gesamten restlichen Samstag nicht.
Sonntag, 28.04.2019
Auch nicht am Sonntagmorgen. Also rief ich gleich um 7 Uhr wieder die Hotline an. Gleiche IVR-Abfragen, gleiche Warterei, dann eine Mitarbeiterin. Erneute Abfrage der Kundendaten. Und dann die Aussage, dass die SIP-Daten im Kundenportal stehen und die Aktualisierung des Portals bis zu 72 Stunden dauern kann! Ich sackte in mich zusammen. Um 8 Uhr ein erneuter Versuch mit dem Kundenportal. Es erscheint eine Wartungsseite und der Hinweis, dass das Portal am 28.04.2019 um 6 Uhr wieder verfügbar ist. Ungläubiger Blick auf den Kalender und die Uhr? Rätselraten. Also nochmals die Hotline angerufen, Prozedere wie bekannt. Und dann: Sie rufen außerhalb unserer Servicezeiten an, diese sind bla bla bla, aber nicht am Sonntag. Wieder Rätselraten, mit wem hatte ich um 7 Uhr telefoniert?
Der Wartungsmodus des Kundenportals änderte sich den ganzen Sonntag nicht. Ich beruhigte meine Eltern und versprach, gleich am Montagmorgen mich weiter um die Sache zu kümmern.
Montag, 29.04.2019
Erneut früher Anruf bei Unitymedia. Prozedere wie bekannt. Aber diesmal längere Warteschleife. Dann meldet sich ein Mitarbeiter. Wieder die Authentifizierungsschleife. Meine Geschichte wird zudem ja auch immer länger. Scheinbar ist es so, dass die Mitarbeiter nicht nachlesen können, welche Gespräche mit dem Kunden bereits geführt und welche Maßnahmen zur Störungslösung durchgeführt wurden. Auch er konnte mir die SIP-Daten nicht geben und verwies auf das Kundenportal. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass das Portal den ganzen Sonntag nicht erreichbar war und heute Morgen immer noch die alten Daten aufweist. Er bat mich um Geduld, ich soll später nochmals rein schauen. Aber er stelle gerade einen Wert der Leitungsdämpfung fest, der außerhalb der Toleranz sei. Er beauftrage einen Techniker, der vor Ort dieses Problem beseitigen wird.
Also weiter warten und nicht erreichbar sein. Der Subunternehmer meldet sich aber bald und kündigte an, am Donnerstag zu kommen. Das ist drei Tage später. Ich habe weiterhin die Hoffnung, dass das dämliche Portal endlich aktualisiert wird und ich an die SIP-Daten komme.
Dienstag, 30.04.2019
Der Inhalt des Kundenportals hat sich nicht geändert. Wieder Anruf bei der Hotline. Jetzt habe ich eine Mitarbeiterin in der Leitung, die den Fehler auf ihre Kollegin am Samstag schiebt. Die Aktivierung einer neuen Fritz!Box darf erst dann erfolgen, wenn die neue Box angeschlossen ist. Weil sie die Registrierung der neuen Box aber vorher angestieß, sei der ganze Umstellungsprozess auf einen Fehler gelaufen. Sie würde sich nun um die Bereinigung und Fertigstellung des Prozesses kümmern. Die SIP-Daten würde mein Vater per Post bekommen. Aus Sicherheitsgründen geht das nicht anders. Ich falle vom Glauben ab. In einer Zeit, in der Bankkonten online eröffnet werden können, in dem eine Authentifizierung per Videochat erfolgt, besteht der Provider auf das Zuschicken von Anmeldedaten per Schneckenpost. Nichts für ungut, aber ein Tag ist da wieder futsch, und da morgen Maifeiertag ist, würde es wohl Donnerstag werden. Und weil der Dienstleister unter notorischem Personalmangel leidet, wird bei uns die Post erst in der zweiten Nachmittagshälfte zugestellt, also ein weiterer Tag. Das verstand sie dann auch und sicherte mir zu, dass mein Vater die Anmeldedaten ausnahmsweise per E-Mail erhält. Ich whatsappe mit meinem Vater und frage, ob er die E-Mail erhalten hat. Nichts, nichts jetzt, nichts nach einer Stunde auch nichts nach zwei Stunden. Ich rufe erneut bei der Hotline an. Der Kollege sagt mir, dass die SIP-Daten streng vertraulich sind und solche E-Mails mit strengen Routinen geprüft werden, bevor sie raus gehen, was aber Zeit braucht. Das könne auch über Nacht dauern. Ich fühle mich inzwischen hilflos dem Provider ausgesetzt.
Um 20 vor 12 klingelt mein Telefon. Der Subunternehmer fragt, ob der Techniker gleich kommen kann, es gab eine Terminverschiebung. Meine ganze Hoffnung liegt auf diesem Menschen. Er kommt pünktlich. Die Dämpfung hat er schnell am Verstärker korrigiert. Ich bitte ihn, seine Kontakte bei dem Provider anzurufen, damit wir an die SIP-Daten kommen. Das macht er auch, erfährt aber von dem Mitarbeiter, dass das 15 Minuten benötigt. Nur 15 Minuten! Ich bin inzwischen von solch schnellen Lösungen begeistert! Der Techniker fährt weiter und sichert mir zu, mich anzurufen, sobald er die Daten hat. Tut er aber nicht, sondern schickt mir nach dreißig Minuten eine SMS, die die SIP Daten enthält. Mit dem Smartphone in der Hand fahre ich freudig zu meinen Eltern. Die Benutzeroberfläche der Fritz!Box ist schnell aufgerufen, der Eintrag für die Telefonnummern ist gleich gemacht. Doch die Box meldet, dass sie die Telefonnummern nicht anmelden kann.
Frustriert fahre ich nach Hause. Dort finde ich im Internet eine Registrar-Tabelle, die ein User wohl regelmäßig zusammenstellt. Ich speichere mir diese ab und fahre zurück zu meinen Eltern. Doch leider kann ich die Telefonnummern mit keinem anderen Registrar anmelden. Inzwischen erscheint mir auch der mitgeteilte Benutzernamen zweifelhaft. Irgendwas stimmt damit nicht. Doch das Kundenportal bleibt weiterhin unverändert, es steht immer noch der Router vom Provider bei den Produktdaten, keine Spur des eigenen Routers oder der SIP Daten.
Mittwoch, 01.05.2019 - Feiertag
Das Portal hat sich nicht geändert, immer noch keine neuen Daten. Also rufe ich wieder die Hotline an. IVR-Warteschleife-Authentifizierung. Ich gebe die Daten schon längst blind ein. Eine Mitarbeiterin meint, dass sie nur eine Notbesetzung ist. Aber so wie es scheint, müssen die Daten auf den Servern neu provisioniert werden. Das können aber nur die kaufmännischen Kollegen, von denen heute keiner da ist. Sie bittet mich, am nächsten Morgen nochmal anzurufen. Ich werde es nie verstehen. Warum können die Hotliner solche Dinge nicht per Ticket intern weitergeben? Den ganzen Tag prüfe ich das Kundenportal, keine Veränderung. Der 1. Mai geht ohne Telefonie zu Ende.
Donnerstag, 02.05.2019
Heute rufe ich erst um 9 Uhr die Hotline an. Wieder dasselbe Spiel bis ich endlich einen Zweibeiner auf der anderen Seite habe. Ich erzähle ihm, was die Kollegin gestern sagte, worauf er mich zu einem kaufmännischen Kollegen verbindet. Wie auswendig gelernt bete ich die Geschichte erneut runter. Der meint nur, dass er die Provisionierung anstößt und sich dann in Kürze ein Techniker auf die Fritz!Box aufschalten wird, um die nötigen Änderungen vorzunehmen. Ich entgegne, dass das wohl nicht funktionieren wird, denn es sei eine private Fritz!Box. Doch, doch, wird mir versichert, auch bei privaten Fritz!Boxen können sich die Techniker aufschalten, da gäbe es einen Technikerzugang. Ich bin fassungslos über solche Märchen, lasse es aber unkommentiert stehen, weil ich nicht mehr weiter weiß.
Der Vormittag vergeht und der halbe Nachmittag, ich kann meine Eltern unverändert nicht erreichen. Ich wähle wieder die Nummer der Hotline. Es meldet sich ein offensichtlich lustloser Mitarbeiter und nuschelt seinen Namen. Ich bitte um Wiederholung, weil ich gerne die Menschen mit Namen anspreche, worauf der Mitarbeiter einfach auflegt! Ich muss erstmal tief Luft holen und versuche es erneut. Wieder die Minutenlange „Begrüßung“ der Telefonanlage. Ich gelange an eine weitere Mitarbeiterin, der ich fast schon heulend meine Lage schildere. Sie zeigt sich interessiert und will mir weiterhelfen. Tatsächlich findet sie irgendwo SIP-Daten, die aber andere sind, als die, die ich bereits habe. Wo auch immer die nun herkommen. Sie darf mir die nicht am Telefon nennen, hat sie aber gleich an die E-Mail-Adresse meines Vaters geschickt. Es dauert nicht lange, da erhalte ich von meinem Vater, noch während des Telefonats diese E-Mail weitergeleitet mit der Frage, wofür das sei. Die Anlage enthält eine Beschreibung der Vorgehensweise der Routerumstellung, von SIP-Daten keine Spur. Da ich die Mitarbeiterin noch an der Strippe habe, weise ich Sie auf das Versehen hin, worauf Sie eine weitere E-Mail an meinen Vater verschickt. Da sind dann tatsächlich neue SIP-Daten enthalten. Sie führt auf der anderen Seite noch Tests durch und stellt fest, dass Up- und Downstream der Telefonie auf der Fritz!Box tot sind. Ich erinnere sie daran, dass ich deswegen zum was weiß ich wievielten Male ja anrufe. Dann sagt sie, aber auch die Internetkanäle der Fritz!Box seien tot. Und WLAN sei auch keins eingerichtet (wie kann sie das auf der privaten Box sehen?). Bei mir schrillen die Alarmglocken. Sind die Mitarbeiter von Unitymedia die ganze Zeit mit den Daten der alten Fritz!Box unterwegs? Haben sie für die alte Fritz!Box SIP-Daten erstellt und verschickt? Ich schlage der Mitarbeiterin vor, doch endlich die alte Fritz!Box aus den Stammdaten zu löschen, denn die sei längst abgebaut und verpackt und damit fertig für den Rückversand.
Die Mitarbeiterin verspricht mir, sich um 20 Uhr nochmals zu melden. Sie sei so interessiert, ob die neuen SIP-Daten nun funktionieren und will mich anrufen. Sicherheitshalber frage ich nochmal nach, ob der Benutzername (=Vorwahl und Rufnummer) eine führende Null haben muss, denn mal ist es so und mal so angegeben. Nein heißt es, immer ohne führende Null. Komisch denke ich, denn der erste SIP-Datensatz hatte im Benutzernamen eine führende Null. Ich fahre zu meinen Eltern und gebe die neuen SIP-Daten ein. Wie befürchtet, das Telefon bleibt tot!
Es wird 20 Uhr, halb neun, dann klingelt doch das Telefon. Die Mitarbeiterin ruft tatsächlich zurück! Doch leider muss ich Ihr sagen, dass auch der zweite Satz SIP-Daten nicht funktioniert. Sie ist ratlos und berichtet mir eher beiläufig, dass sie nun die alte Fritz!Box aus den Stammdaten gelöscht hat. Sie will mir einen weiteren Techniker nach Hause schicken. Während der Wartemusik habe ich immer viel Zeit und entdeckte eine Störungsseite des Providers bei den eigenen Stammdaten. Dort waren bisher immer beide Fritz!Boxen aufgeführt. Ich will nun mal sehen, ob die alte Box gelöscht wurde. Tatsächlich, es ist nur noch die neue Fritz!Box aufgeführt. Und dann sehen ich bei den Produkten doch tatsächlich einen neuen, dritten Satz SIP-Zugangsdaten. Meine Augen fangen an zu glänzen. Zu später Stunde fahre ich erneut zu meinen Eltern, die SIP-Daten sind schnell eingegeben und, die Fritz!Box kann die Telefonnummern beim Registrar anmelden. Geschafft!
Nach in Summe stundelangen Telefonaten, ewigen Wartezeiten mit einer nervtötenden Musik, im Großen und Ganzen inkompetenten Hotlinern, die nicht an der Lösung beim Kunden interessiert sind, sondern das zu Ende bringen eines Telefonats vor Augen haben, habe ich es tatsächlich geschafft, ganze 5 Tage durchzuhalten bis die Telefonie wieder funktioniert. Mein Fazit: In unserem Ort wird in absehbarer Zeit von der Telekom Glasfaser verlegt. Ich vermute, dass es dann wieder Routerwechsel geben wird, aber inkl. Provider.
Freitag, 03.05.2019
Eben meldet sich ein Subunternehmer von Unitymedia bei meinem Vater und möchte einen Termin zur Störungsbeseitigung in der Telefonie ausmachen. Kann der froh sein, erstmal nur angerufen zu haben!
RS IT-Management GmbH
Robert Schroeder / 03.05.2019
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